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Turbo-Studenten vor Gericht - "Einmal im Monat hauten wir uns die Birne weg"

Datum: 18.07.2012 Erschienen in: Die Welt Autor: Tim Röhn

In vier statt elf Semestern schafften zwei Studenten ihren Master – mit Kaffee, Tee und auch Alkohol. Statt Lob gab es eine Zahlungsaufforderung von der Hochschule. Jetzt kam der Streit vor Gericht.


In vier statt elf Semestern schafften zwei Studenten ihren Master – mit Kaffee, Tee und auch Alkohol. Statt Lob gab es eine Zahlungsaufforderung von der Hochschule. Jetzt kam der Streit vor Gericht.

Drei junge Männer sitzen an einem runden Tisch in einem Dortmunder Café und nippen an ihren Tassen. Bei einem von ihnen blitzt eine Rolex am Handgelenk, einer hat sein kariertes Hemd sorgfältig in die Jeans gesteckt, einer trägt unter dem Pullover ein Poloshirt. Alle sind sie mit neuen BMW vorgefahren. Ob sich die ganze Arbeit gelohnt hat? Das Trio nickt und grinst.

Marcel Kopper und Robert Grünwald aus Dortmund sowie Marcel Pohl aus Arnsberg sind 22 Jahre alt. Zwei von ihnen haben das Kunststück vollbracht, ein auf elf Semester angelegtes Studium an der Hochschule für Ökonomie und Management (FOM) in vier Semestern zu absolvieren. Kopper ist in den letzten Zügen seines Masters, die beiden anderen sind seit über einem Jahr fertig.

So schnell hat vor ihnen vermutlich noch niemand ein Bachelor- und Masterstudium geschafft. Sie sind stolz auf sich, ihre Familien stolz auf sie, und auch beruflich hat es sich gelohnt.

Zahlung von 10.000 Euro gefordert

Pohl ist Projektleiter bei der Commerzbank in Frankfurt am Main, die beiden anderen haben sich mit einer Agentur für akademische Texte selbstständig gemacht und gerade ein Büro auf der Düsseldorfer Königsallee bezogen. “Jetzt wollen wir weiter wachsen”, sagt Grünwald. Es könnte eine beispiellose Erfolgsgeschichte sein, aber es gibt ein Problem: Die FOM ist sauer. Sie will die Studiengebühren für die Regelstudienzeit kassieren und nicht akzeptieren, dass Pohl seit seiner Kündigung zum Ende des Sommersemesters 2011 nicht mehr zahlt. Die Hochschule begründet dies damit, dass die Gebühren für das Studium schon im Vorfeld feststehen – unabhängig von der Dauer des Studiums. Wer seine Abschlüsse erreicht hat, habe eben auch alle Leistungen in Anspruch genommen.

Oder gilt das Kündigungsrecht?

Pohl argumentiert anders. Er beruft sich auf das Kündigungsrecht, das die Hochschule ihren Studenten zum Ende eines jeden Semesters einräumt. Es ist eine komplizierte Angelegenheit und ein Präzedenzfall, über den das Amtsgericht Arnsberg an diesem Mittwoch urteilt. Falls der Richter zu Ungunsten von Pohl entscheidet, muss der ehemalige Student 3000 Euro zahlen. Zusätzlich wären weitere noch nicht eingeforderte Gebühren in Höhe von 7000 Euro fällig. In diesem Fall müssten auch Grünwald und Kopper damit rechnen, Post von ihrer Hochschule zu bekommen. Grünwald meint: “Ich kann diese Leute nicht verstehen.”

“Wir hätten ein wenig Anerkennung erwartet. Stattdessen werden uns Steine in den Weg gelegt”, sagt Pohl, dem nach einigen Wochen an der Dortmunder Hochschule die Idee zum Turbo-Studium gekommen war. “Das könnte hier schneller gehen”, sagte er damals zu Kopper und Grünwald, zwei Kommilitonen, die er flüchtig kannte. Ihnen gefiel sein Ehrgeiz.

Unmöglich, sagten die Professoren

An der FOM finden Vorlesungen und Seminare je nach gewähltem Modell in den Abendstunden oder am Wochenende statt, weil die Studenten Vollzeit arbeiten. Pohl, Kopper und Grünwald steckten mitten in der Berufsausbildung. Es wird nicht so gewesen sein, dass das Trio aus Langeweile einen Zahn zulegte. “Es ging darum, sämtliche Ressourcen, die wir haben, zu nutzen”, sagt Pohl. Der Plan war, in vier Semestern und mit Prädikat abzuschließen.

Unmöglich, sagten die Professoren. Entspannt euch mal, sagten die Freunde. Na gut, wir unterstützen euch, sagten die Eltern. Die drei lebten damals noch zu Hause. Und dort blieben sie auch, es war eine Kostenfrage. Pohl, Grünwald und Kopper sind nicht die Kinder von reichen Eltern. Aber sie haben zu Hause gelernt, dass man es mit eisernem Willen zu etwas bringen kann.

Eine etwaige Hochbegabung lässt sich an den Leistungen in der Schule nicht ablesen. Keiner der drei hat eine Klasse übersprungen, ihre Abi-Noten waren 1,8 (Pohl), 2,3 (Grünwald) und 2,6 (Kopper). Es ist der Ehrgeiz, den das Trio nach der Schulzeit entwickelte und der sie aufstreben ließ. Das Gelingen ihres Plans zeigt auch, was Teamarbeit bewirken kann. Dass man in einer kleinen Gruppe effektiver sein kann als allein.

Kreuz und quer durchs Land gereist

“Das ist unsere Botschaft”, sagt Kopper. Er war der Gründliche, Pohl der Antreiber, Grünwald der Organisator. Er hatte die wichtigste Aufgabe. 22 Standorte hat die FOM. Nicht jeder Kurs eines jeden Semesters kann gleichzeitig an einem Standort belegt werden. Also fuhren sie kreuz und quer durchs Land, um Vorlesungen zu besuchen und Klausuren zu schreiben. Insgesamt 80 Abgaben hatten Pohl und Grünwald innerhalb von zwei Jahren. Wenn sie im Hörsaal saßen und merkten, dass sie nicht genug gelernt hatten, strichen sie die Klausuren durch und lernten zu Hause noch mehr. Wenn sie nicht gemeinsam unterwegs waren, telefonierte sich das Trio zusammen und tauschte sich über das frisch Erlernte aus. Weil es an der FOM keine Anwesenheitspflicht gibt, musste nicht jeder jede Vorlesung besuchen. Sie teilten sich auf.

Koffeintabletten und viel Kaffee

Manchmal fuhren sie mit dem Auto die ganze Nacht durch, um am nächsten Tag pünktlich im Betrieb zu sein. Sie schluckten Koffeintabletten, tranken literweise Kaffee, einmal im Monat “hauten wir uns die Birne weg, um die nächste Etappe zu feiern”. Nur Pohl brauchte das alles nicht, ihm genügte grüner Tee. Das sagt er so, aber Kopper und Grünwald erinnern ihn dann daran, dass er angesichts der Strapazen einmal einen Weinkrampf bekam. Sie lachen.

“Nichtstun ist nichts für mich”

Heute sind das nur noch Randerscheinungen, denn es hat ja alles geklappt. In einem Alter, in dem andere Studenten in Wohngemeinschaften leben, mit dem Rucksack durch Südamerika touren und viele am liebsten erst mittags aufstehen, verdienen die drei Turbo-Studenten gutes Geld, haben eine berufliche Perspektive und fahren schicke Autos. Marcel Kopper hat sich zuletzt eine Wohnung gekauft. Aber ist der schnelle der bessere Weg? Kopper sagt: “Ich wollte erst mal eine gute Basis.” Grünwald sagt: “Nichtstun ist nichts für mich.” Pohl sagt: “Ich wollte Freiheit und eine Arbeit, die mir Spaß macht. Ich vermisse nichts.” Beendet ist die akademische Ausbildung damit aber noch nicht. Kopper will sich zwar erst einmal auf seinen Job konzentrieren, aber die beiden anderen wollen promovieren.

“Ganz in Ruhe”, sagt Grünwald, “jetzt haben wir ja Zeit.”

 

Mittlerweile hat das Gericht ein Urteil gesprochen. Am Mittwoch, gegen 11 Uhr wurde bekannt: Wer an einer privaten Hochschule sein Studium verkürzt, muss dennoch die kompletten Studiengebühren zahlen. Private Studiengebühren seien im Gegensatz zu den “Semesterbeiträgen” öffentlich-rechtlicher Hochschulen ein vertraglich vereinbarter Gesamtpreis für das Studium, entschied das Amtsgericht Arnsberg in einem am Mittwoch verkündeten Urteil (Az: 12 C 64/12).

Damit gab das Gericht der Dortmunder Hochschule für Management und Ökonomie FOM in einer Klage gegen einen ehemaligen Studenten Recht. Der 22-Jährige aus Arnsberg hatte neben seiner Ausbildung als Bankkaufmann in nicht einmal vier Semestern sowohl ein Bachelor- als auch ein Masterstudium durchgezogen. Nach dem Abschluss kündigte er den Studienvertrag und stellte die Zahlungen der monatlichen Raten ein.
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