Datum: 10.09.2013 Erschienen in: Kölner Stadt-Anzeiger Autor: Josephine Pabst
Ein Master-Studium in vier statt in elf Semestern? Drei Schnellstudenten haben das geschafft. Jetzt appellieren sie an andere, ihrem Beispiel zu folgen. Doch eine Kölner Expertin warnt vor zu viel Eile.
Wenn der 23-jährige Marcel Kopper über sein Studium spricht, klingt es, als würde ein Hochleistungssportler von seinem Trainingsplan berichten. Gemeinsam mit seinen Kommilitonen Grünwald und Pohl (beide 23) hatte Kopper seinen Masterabschluss schon nach rekordverdächtigen vier Semestern in der Tasche – inklusive abgeschlossener Berufsausbildung. Vorgesehen sind elf. Inzwischen hat er sich mit einer Ghostwriter-Agentur selbstständig gemacht und promoviert. Pohl ist derzeit Projekt-Manager bei einer Bank, Dozent an einer Hochschule und promoviert ebenfalls. Über ihr ehrgeiziges Studien-Projekt haben die drei ein Buch geschrieben: „Die Turbo-Studenten“.
Die Dortmunder Grünwald und Kopper kennen sich bereits aus der Schule, sie haben zusammen ihr Abitur gemacht. An der Hochschule für Ökonomie lernen die beiden Marcel Pohl kennen und paukten dann zusammen für Bachelor- und Masterabschluss. Unter der Woche sind die drei Studenten tagsüber in ihren Ausbildungsbetrieben beschäftigt, abends und am Wochenende besuchen sie die Seminare. „Am Anfang waren wir frisch, motiviert und dachten: Da geht doch noch mehr! Warum nicht zwei Semester in einem studieren?“, sagt Kopper. Ihr Ziel: den Rausch der Geschwindigkeit erleben, Zeit sparen, möglichst früh in einen möglichst guten Job wechseln und dann schnell aufsteigen. Die drei packen es an, probieren, wie viel Belastung sie aushalten können, wie viele Seminare und Klausuren in ein Semester passen.
„Natürlich war das ein harter Marathon, den wir uns da vorgenommen haben. Und natürlich war es sehr anstrengend. Aber es hat sich auf jeden Fall gelohnt“, sagt Marcel Kopper. Weil die Hochschule zahlreiche Standorte in ganz Deutschland hat, konnten die drei aus einer Vielzahl an Veranstaltungen und Klausurterminen bundesweit wählen – und die Arbeit, so gut es geht, aufteilen. Sie besuchen jeweils verschiedene Veranstaltungen in etlichen deutschen Großstädten und berichten dann den anderen davon. Gelernt wurde bis spät in die Nacht und am Wochenende – gemeinsam. „Jeder von uns hatte auch Zeiten, in denen er aufgeben wollte“, sagt Marcel Kopper. „Aber wir haben als Team zusammengehalten und wollten die anderen nicht im Stich lassen.“ Nur durch viele Entbehrungen, ein Mindestmaß an Freizeit und jede Menge Disziplin war es überhaupt möglich, den ehrgeizigen Plan tatsächlich in die Tat umzusetzen.
Die anderen Kommilitonen reagierten ganz unterschiedlich auf die Turbo-Studenten: So wurden die drei als „Spinnertruppe“ abgetan, als Überflieger oder einfach als exotische Ausnahmen. „Niemand von uns ist hochbegabt“, betont Marcel Kopper. „Wir haben auch nie Ritalin oder so einen Müll genommen, sondern allenfalls Kaffee.“
In ihrem Buch berichten sie, wie sie ihr Ziel erreicht haben, und appellieren an andere, ihrem Beispiel, zumindest teilweise, zu folgen. Genau davor warnt jedoch die Diplom-Psychologin Gaby Jungnickel, Leiterin der Psycho-Sozialen Beratung des Kölner Studentenwerks: „Ich frage mich vor allem: Warum sollte dieses Verhalten nachahmenswert sein? Abgesehen davon, dass sich Schlafmediziner bei derartigem Verhalten die Haare raufen würden, bedeutet es für die meisten eine erhebliche Einbuße an Lebensqualität.“
Selbstausbeutung zum Credo zu machen sei ziemlich fragwürdig, betont Jungnickel. „Die drei haben bewiesen, dass sie diese sportliche Höchstleistung meistern konnten. Das möchte ich nicht bewerten, denn für sie war es in Ordnung.“ Die Diplom-Psychologin warnt allerdings vor den möglichen Nachteilen eines Turbo-Studiums: „Eine solch enorme Studiengeschwindigkeit lässt – jenseits von Leistungsaspekten – wenig Raum für Lebenserfahrungen, die der Persönlichkeitsentwicklung dienen. Eine fernöstliche Weisheit sagt: Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht!“
Turbo-Student Marcel Kopper sieht das ganz anders: Er ist stolz, so viel erreicht zu haben. „Ich kann gut von meinem Beruf leben und bin glücklich mit meinem Leben. Ich würde jederzeit wieder so studieren.“
< zurück zur Presse Übersicht