Datum: 11.01.2016 Erschienen in: Zentralplus Autor: Anina Kamm, Andrea Zimmermann
Statt mit Fleiss und mühseligen Stunden in der Bibliothek können sich Studenten ihren Abschluss auch einfacher erwerben: durch akademische Ghostwriter. Nicht nur der Universität Luzern sind diese ein Dorn im Auge. Dennoch lassen sich die Arbeiten einfach kaufen – beispielsweise im benachbarten Kanton Zug.
Dass Musiker und Schauspieler sich beim Verfassen ihrer Biografien helfen lassen, ist bekannt, und auch, dass Politiker auf Reden von Ghostwritern zurückgreifen, ist gesellschaftlich geduldet. Doch wie sieht es im Bereich der Wissenschaft aus? Schummeln ist gang und gäbe, sei es bei Bachelor- oder Doktorarbeiten oder auch bei einfachen Seminararbeiten. Gemäss «20 Minuten» und anderen Medienberichten ist Ghostwriting auch an der Universität Luzern ein Thema, insbesondere an der Rechtswissenschaftlichen Fakultät.
«Es liegt nicht in unserem Aufgabenbereich, zu prüfen, wie diese Texte verwertet werden.»
Katie Stern, «Team GWriters»
Die Universität Luzern ist die kleinste Uni der Schweiz. Als solche kann sie die Studenten intensiver betreuen als grössere Lehrstätten. «Bei uns werden die Studierenden sehr individuell betreut. Das beugt Ghostwriting-Fällen vor», sagt Lukas Portmann, Kommunikations-Beauftragter der Uni Luzern. Ausserdem würden Selbstständigkeitserklärungen verlangt, und die Arbeiten, grössere und kleinere, müssten mündlich präsentiert werden, so Portmann.
Nur bei Doktorarbeiten gibt es ein sogenanntes Verteidigungsgespräch, bei dem der Student mündlich beweisen soll, dass er selbst der Urheber seiner Arbeit ist. Fliegen so jene Studenten wirklich auf, die sich ihre Arbeit gegen Bezahlung – bis zu 10’000 Franken – von Ghostwritern schreiben lassen? Die Universität Luzern jedenfalls hat noch nie jemanden wegen Ghostwriting zur Rechenschaft gezogen.
Ghostwriting-Agenturen scheuen heute die Öffentlichkeit nicht mehr. Sie präsentieren sich als seriöses Business und betreiben fleissig Marketing. Moralische Bedenken scheinen nicht vorhanden zu sein, und es ist leicht, sich als Agentur seine Hände in Unschuld zu waschen, wie beispielsweise die international tätige «Team GWriters» mit Sitz in Oberägeri zeigt: «Unsere allgemeinen Geschäftsbedingungen schreiben vor, dass studentische Kunden sich an ihre jeweiligen Prüfungsordnungen zu halten haben und die von uns geschriebenen Texte als Manuskripte beziehungsweise Lösungsvorschläge ansehen sollen. Sollten Studenten durch uns erstellte Arbeiten als eigene Prüfungsleistungen einreichen, geschieht dies ohne unsere Kenntnis oder Zustimmung», erklärt Katie Stern vom Marketingteam des Zuger Unternehmens.
«Sollte ein Student tatsächlich eine durch uns erstellte Arbeit als Prüfungsleistung einreichen, würde es der betreffenden Hochschule wahrscheinlich nicht auffallen.»
Katie Stern, «Team GWriters»
Gemäss Stern handle es sich bei diesen «Lösungsvorschlägen» um wissenschaftlich hochwertige und plagiatsfreie Ausarbeitungen. «Sollte ein Student tatsächlich eine durch uns erstellte Arbeit als Prüfungsleistung einreichen und darüber eine eidesstattliche Erklärung unterzeichnen, würde es der betreffenden Hochschule wahrscheinlich nicht auffallen», schätzt Stern.
Der Kundenkreis der «Team GWriters» ist nach eigenen Angaben des Unternehmens gross: Rund 5400 Kunden, darunter auch Grosskonzerne, Verlage und Lehrinstitute, lassen sich von der Agentur solche «wissenschaftlich hochwertigen» Arbeiten verfassen. «Nach Erstellung dieser Texte treten wir jegliche Nutzungsrechte an unsere Kunden ab. Es liegt nicht in unserem Aufgabenbereich, zu prüfen, wie diese Texte verwertet werden», sagt Katie Stern.
«Eine Ghostwriter-Arbeit ist kein Spitzenprodukt und sticht daher nicht heraus», sagt Christoph Hoffmann, Professor für Wissenschaftsforschung. Häufiger als Ghostwriting fliegen Plagiate auf, wobei nicht immer böse Absichten dahinterstecken würden: «Oftmals wird einfach, obwohl ständig eingeübt, lasch zitiert», sagt er. Ghostwriting sei hingegen im Universitätsbetrieb kaum ein Thema, wohl auch wegen der schwierigen Ahndung. Hoffmann findet, ein gewisses Vertrauen den Studenten gegenüber sei angebracht: «Eine Universität ist schliesslich kein Gerichtshof.»
Die Dienstleistungen der «Team GWriters» nehmen am häufigsten Studenten der Fachrichtungen Wirtschaft, Medizin und Gesellschafts- und Sozialwissenschaften in Anspruch. «Es handelt sich um Fachrichtungen, die zahlenmässig einen grossen Teil von Studierenden, Instituten und Unternehmen repräsentieren», sagt Katie Stern.
«Sollte ein solcher Betrug während der Berufstätigkeit auffliegen, so könnte das geradezu zum Ruin der beruflichen Zukunft führen.»
Paul Richli, Rektor Universität Luzern
Der Universität Luzern sind solche Agenturen ein Dorn im Auge: «Wir sind empört darüber, wie unverfroren diese Anbieter auftreten», sagt Rektor Paul Richli. Solches Verhalten widerspreche jeder Berufsethik, die später von den Studierenden eingefordert würde. «Sollte ein solcher Betrug während der Berufstätigkeit auffliegen, so könnte das geradezu zum Ruin der beruflichen Zukunft führen», sagt Richli.
Wird der Betrug schon früher aufgedeckt, also während des Studiums, drohen strenge Sanktionen: «Diese können von nicht Bestehen der Arbeit bis zum Ausschluss von der Universität oder gar zur Aberkennung von Diplomen und Titeln reichen», erklärt Lukas Portmann.
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